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UZH Journal

Ich schaffe das!

Cornelia Beck

Die Psychologische Beratungsstelle UZH ETH wird oft von Studierenden aufgesucht, die an Prüfungsangst leiden. Leiterin Cornelia Beck erklärt im Interview, wie die Angst entsteht und wie sie angegangen werden kann.

Von Fabio Schönholzer

Frau Beck, ein Student ist vor seinen Prüfungen regelmässig immer sehr angespannt und nervös. Was raten Sie ihm?

Cornelia Beck: Eine gewisse Nervosität gehört in einer Prüfungssituation natürlich dazu. Denn es geht ja auch um etwas, und wir erhoffen uns Erfolg. Zudem haben wir bereits Vorstellungen, die mit dem Nichtbestehen der Prüfungen zusammenhängen. Es kann deshalb hilfreich sein, im Vorfeld zu überlegen, wie man sich bei einer akuten Angstattacke beruhigen könnte. Negativen Gedanken sollte man zudem ganz bewusst positive Vorstellungen entgegensetzen: Ich kann das, ich schaffe das, die anderen schaffen es ja auch. Dies erfordert etwas Übung, hat sich jedoch bei der Bewältigung von Ängsten als sehr hilfreich erwiesen. Weiter können Atmungs- und Entspannungsübungen sinnvoll sein, um das Nervenflattern zu bekämpfen. Diese Techniken helfen dann, wenn der Leidensdruck der betroffenen Person nicht allzu gross ist.

Und wenn es richtig schlimm wird?

Wenn die Prüfungsangst die Lebensqualität massiv einschränkt oder gar zu einer «Angst vor der Angst» führt, wird es problematisch. Denn solche tiefsitzenden Prüfungsängste lösen sich am Tag der Prüfung nicht einfach durch einen schnellen Trick in Luft auf – psychische Prozesse brauchen Zeit. Der wichtigste Schritt ist, sich die Angst einzugestehen und sie aktiv anzugehen. Wenn eine Studentin oder ein Student mit uns darüber sprechen will, hören wir gerne zu.

Sind Sie in Ihrer Tätigkeit als Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle oft mit Prüfungsangst konfrontiert?

2018 haben uns rund 200 Studierende wegen Prüfungsängsten aufgesucht – das sind rund 14 Prozent unserer Beratungsfälle. Insgesamt nimmt die Zahl der Klienten mit Prüfungsangst etwas ab. Trotzdem steigt bei uns die Gesamtzahl der Beratungen. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass wir uns mittlerweile in vielen Bereichen weniger davor scheuen, über Gefühle und Ängste zu sprechen.

Wie äussern sich diese Ängste?

Das ist von Person zu Person sehr unterschiedlich. Die Angst kann etwa schon weit vor der eigentlichen Prüfung beginnen und massive Lernbeeinträchtigungen zur Folge haben. Hinzu kommen allenfalls auch Vermeidungsstrategien, etwa ein Aufschieben des Lernens oder schlimmstenfalls gar ein Nicht¬ erscheinen an der Prüfung. Ausserdem kann sie sich auch auf das geistige und physische Wohlbefinden auswirken: Manche Studierende klagen etwa über Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder starke Kopfschmerzen, andere leiden an Niedergeschlagenheit oder depressiven Verstimmungen. Bei der Prüfung können die Angstsymptome von einer leichten Nervosität bis zu einer Denkblockade oder zu Blackouts reichen. Ein wenig Nervosität oder Prüfungsangst kann aber auch ganz nützlich sein: Sie hält wach, erhöht die Aufmerksamkeit und die Konzentration, und auch das Reaktionsvermögen wird dadurch gesteigert.

Worin liegen die Ursachen für Prüfungsangst?

In Prüfungssituationen müssen wir uns exponieren und unser Wissen zeigen. Dies kann mit vielen, oft auch unbewussten Ängsten verbunden sein, etwa mit der Angst, bewertet und kritisiert zu werden. Viele Studierende erwähnen auch Versagensängste oder die Vorstellung, sie hätten keinen Erfolg verdient und würden darum sowieso scheitern. Solche Gefühle können häufig auch bei Repetentinnen und Repetenten vorkommen. Wichtig ist auf jeden Fall, starke Ängste abklären zu lassen und sie mit professioneller Hilfe anzugehen.

Was geschieht, wenn sich jemand an Ihre Stelle wendet?

Nach der Terminvereinbarung per Telefon oder E-Mail klären wir im ersten Gespräch die Schwierigkeiten, an denen die Studierenden arbeiten möchten. Anschliessend besprechen wir mögliche Schritte zur Überwindung der Ängste. Eine Aussenperspektive kann helfen, Lösungen zu finden, die oftmals gar nicht erkannt werden. Oder wir stellen etwa fest, dass jemand mehr Spielraum hat als ursprünglich gedacht und beispielsweise einen unterstützenden Lernplan erstellen oder eine Lerngruppe bilden kann. Neben solchen Einzelberatungen bieten wir auch Gruppensitzungen für Studierende mit Prüfungsangst oder für Prüfungsrepetenten, sodass sie sich gegenseitig über ihre Erfahrungen austauschen können. Sollten wir im Verlauf der Gespräche feststellen, dass weitere, tiefsitzende Ängste oder Depressionen vorhanden sind, empfehlen wir auf jeden Fall eine Therapie bei externen Fachpersonen.

Wie sehen Sie den Umgang mit Medikamenten, die beruhigen und etwa bei Ängsten helfen sollen?

Ausschlaggebend sind hier das Was und das Wie: Es kann etwa sinnvoll sein, eine länger bestehende Furcht mit angstlösenden Medikamenten zu unterbrechen, damit man die Situation bewältigen und sich mit den Ursachen der Angst auseinandersetzen kann. Dies sollte jedoch immer unter psychiatrischer Aufsicht erfolgen – Medikament und Dosis müssen unbedingt den Symptomen entsprechen. Lässt die Wirkung des Medikaments dann nach, kehrt jedoch auch die Angst zurück. Daher ist eine Auseinandersetzung mit diesen Ängsten in Form einer Therapie unumgänglich. Von einer Selbstmedikation durch angstlösende Beruhigungsmittel rate ich auf jedem Fall ab, denn solche Medikamente können bei regelmässiger Einnahme abhängig machen.

Was können Dozierende tun, um Prüfungsangst möglichst zu vermeiden?

Dozierende sollten definieren, was an den Prüfungen erwartet wird. Prüfende sollten zudem vermeiden, eine angsterzeugende Atmosphäre zu schaffen und zu viel Druck auszuüben – das Studium und die Prüfungen sind meist schon Druck genug. Wenn etwa Professorinnen und Professoren während der Vorlesung betonen, dass im nächsten Jahr jeder Zweite rausgefallen sein wird, kann das für angespannte Studierende sehr belastend sein. Die Prüfenden sollten sich auch bewusst sein, dass sie in einer Prüfungssituation selbst in Stress geraten oder nervös werden können. Sie müssen diese Stressgefühle regulieren, statt sie an ihre Prüflinge weiterzugeben. Zudem sollten sie regelmässig die eigenen Prüfungsmethoden evaluieren.

Was möchten Sie Studierenden mitgeben, die sich gerade im Prüfungsstress befinden?

Lernen ist ein Ausdauersport. Daher ist es sehr wichtig, sich um die eigene Motivation zu kümmern: Eine gute Lernplanung und -strategie, die sich an der verbleibenden Zeit bis zur Prüfung orientiert, eine Lerngruppe und kurze, konkrete Lernziele können dabei helfen. Und es lohnt sich, darüber nachzudenken, was genau uns am Stoff interessiert. Positive Gedanken können ebenfalls sehr hilfreich sein.

Prüfungsangst – Was tun?

 

Vor der Prüfung

  • Übersicht über den Stoff verschaffen
  • Über Prüfende und Prüfungssituation informieren
  • Zeitgerechte Lernplanung und Lerntechniken
  • Prüfungsgewöhnung mit Selbsttests
  • Angsteinflössende Gespräche meiden
  • Genug Schlaf und Ruhe

Bei der schriftlichen Prüfung

  • Panik vermeiden und versuchen, ruhig zu atmen und ruhig zu bleiben
  • Überblick verschaffen und Arbeitsplan erstellen
  • Bleibt man stehen: Frage überspringen und später zurückkehren
  • Atem- und Entspannungsübungen, etwa Bauchatmung oder Muskeln kurz anspannen und wieder lösen
  • Gedankenspiralen und Ängste unterbrechen, etwa durch Kaugummikauen oder Gang zur Toilette
  • Negative Gedanken stoppen und durch positive Gedanken ersetzen

Bei der mündlichen Prüfung

  • Panik vermeiden und versuchen, ruhig zu atmen und ruhig zu bleiben
  • Bei Schwierigen Fragen um Bedenkzeit bitten
  • Bei Unklarheiten Rückfragen stellen
  • Interesse am Fach zeigen

Nach der Prüfung

  • Sich erholen und auch etwas gönnen!

Weitere Anlaufstellen

Weiterführende Informationen

Im Bild

«Wenn eine Studentin oder ein Student mit uns über Prüfungsängste sprechen will, hören wir gerne zu.»

Cornelia Beck, Leiterin Psychologische Beratungsstelle UZH/ETH

Bild: Frank Brüderli

Sechs Erfahrungsberichte

Vier Studierende und zwei Dozierende sprechen über eigene Erfahrungen mit Prüfungsstress.