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UZH Journal

Corona-Krise als Katalysator

Franziska Schneider, Leiterin Multimedia & E-Learning-Services (MELS), und Balthasar Eugster von der Abteilung Hochschuldidaktik haben die Fakultäten während der Corona-Prüfungsphasen eng begleitet. Wir haben nachgefragt, welche Schritte nun nötig sind, damit an der UZH in Zukunft vermehrt digitale Leistungsnachweise durchgeführt werden können.

Interview: Alice Werner

Ob Remote- oder Präsenzprüfung, online oder auf Papier: Jede Fakultät hat im Rahmen ihrer autonomen Selbstverwaltung und unter Setzung unterschiedlicher Prioritäten selbstverantwortlich entschieden, wie sie ihre Studierenden unter Pandemiebedingungen am besten prüfen kann. Die unterschiedlichen Strategien, mit denen die Fakultäten ihre Angehörigen durch die Corona-Prüfungsphasen navigiert haben, widerspiegeln also letztlich die Diversität der UZH?

Balthasar Eugster: Richtig. So verschieden die Studienprogramme und Fachkulturen, so verschieden sind auch die Prüfungsformate. Auf die Corona-Situation bezogen heisst das: Kompetenzorientierte Aufgaben wie Fallanalysen, Essays oder Auswertungen von Datensätzen als typische Fragestellungen für (online) Open-Book-Prüfungen können etwa für juristische, sozialwissenschaftliche oder wirtschaftswissenschaftliche Fachrichtungen gut funktionieren. Für (veterinär)medizinische oder naturwissenschaftliche Studienprogramme, in denen zum Beispiel das Prüfen von Faktenwissen eine besondere Bedeutung hat, ist die Konzeption von Open-Book-Prüfungen oft schwieriger und aufwendiger. An dieser Stelle kommt auch das Kriterium der Ökonomie ins Spiel: Eine Prüfung muss mit vertretbarem Aufwand für die Dozierenden zu konzipieren und zu korrigieren sein. Das gilt natürlich generell. Aber während der Corona-Krise, die allen Beteiligten zusätzliche Ressourcen abverlangt, darf der ökonomische Aspekt erst recht nicht vergessen werden. Franziska Schneider: Welche Prüfungsformate die Fakultäten wählen, hängt natürlich auch mit den Studierendenzahlen und der Studienstufe zusammen. Die Theologische Fakultät mit ihren kleinen Kohorten von Studierenden kann ganz andere Prüfungsformate wählen als beispielsweise die Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät mit teilweise 500 und mehr Studierenden pro Prüfung.
Franziska Schneider: Welche Prüfungsformate die Fakultäten wählen, hängt natürlich auch mit den Studierendenzahlen und der Studienstufe zusammen. Die Theologische Fakultät mit ihren kleinen Kohorten von Studierenden kann ganz andere Prüfungsformate wählen als beispielsweise die Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät mit teilweise 500 und mehr Studierenden pro Prüfung.

Frau Schneider, als Leiterin der Multimedia & E-Learning Services (MELS) haben Sie zusammen mit Ihrem Team während der letzten drei Semester unter grossem Druck gearbeitet. Sie hatten die Mitverantwortung dafür, dass die Prüfungen technisch und organisatorisch möglichst reibungslos abliefen …

Schneider: Es war – und ist nach wie vor – eine intensive Zeit. Wir mussten fürs Frühjahrssemester 2020 die gesamte technische Infrastruktur für die dedizierten Online-Prüfungsinstanzen aufsetzen und diese intensiven Performance- und Lasttests unterziehen. Des Weiteren mussten wir gemeinsam mit den Fakultäten sämtliche Prozesse und Schnittstellen definieren sowie ein entsprechendes Supportkonzept erarbeiten. Seit dem ersten Corona-Semester haben wir stetig dazugelernt, zudem versuchen wir unsere technische Infrastruktur sowie unsere organisatorischen Prozesse laufend zu optimieren. Meine Mitarbeitenden haben dankenswerterweise hohen Einsatz, Flexibilität und Belastbarkeit gezeigt. Darüber bin ich sehr froh.

Auf welche Unterstützung können Dozierende bei der Erstellung von Online-Prüfungen zählen?

Schneider: Im Rahmen unserer Dienstleistungsangebote zeigen wir den Dozierenden gemeinsam mit dem Team der Hochschuldidaktik die verschiedenen Möglichkeiten von Online-, Remote- und Präsenzprüfungen auf und bieten Schulungen für den didaktisch-curricular sinnvollen sowie rechtlich und technisch korrekten Einsatz von Prüfungssoftware auf. Bei Fragen zur Konzipierung, Auswertung und Analyse von elektronischen Prüfungen sowie bei der Datenarchivierung und beim Aufbau von Datenbanken (Fragepools) begleiten wir die Dozierenden mit Materialien, Informationsveranstaltungen und Online-Webinars. Didaktische Tipps, Empfehlungen und Anregungen zu digitaler Lehre und digitalen Prüfungen finden sich zudem auf der Lehrplattform Teaching Tools (www.teachingtools.uzh.ch).

Die Universität Zürich will den digitalen Schub und die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie nutzen, um ihre Lehre in Zukunft als gezielten Mix von Präsenz- und Online-Formaten anzubieten. Was bedeutet dies aus Ihrer Sicht für die Prüfungen?


Eugster: Wir vermuten, dass es auch hier einen Mix aus Präsenz- und Remote-Prüfungen sowie aus digitalen und Papierprüfungen geben wird. In einigen Fakultäten werden sich sicherlich Bring-your-own-device-Prüfungen (BYOD) dauerhaft durchsetzen. Zum einen sind schriftliche elektronische Prüfungen effizienter zu korrigieren und bieten teilweise Möglichkeiten zur automatisierten Auswertung. Zum anderen erlauben digitale Prüfungsformate zusätzliche didaktische (Gestaltungs-)Möglichkeiten, etwa durch den Einsatz von Videos, hochauflösendem Bildmaterial, Grafikprogrammen und Programmierumgebungen. Elektronische Prüfungssettings erlauben es ausserdem, Aufgabenstellungen zu verwenden, die direkt mit digital zur Verfügung stehenden Quellen und Datensätzen arbeiten.

Schneider: Die Pandemie hat gezeigt, dass elektronische Prüfungsformate an Bedeutung gewinnen. Im Herbstsemester 2020 wurden 363 Online-Prüfungen auf der OLAT-Prüfungsumgebung durchgeführt. Vor Corona gab es pro Semester lediglich eine Remote-Online-Prüfung sowie rund 20 bis 30 Prüfungen, die mit universitätseigenen Geräten in den Hörsälen der UZH stattfanden. Aus diesem Grund hat sich die Universitätsleitung auch dazu entschieden, das Projekt «Umsetzung Ausbau E-Assessment», das von MELS und der Hochschuldidaktik gemeinsam operativ geleitet wird, in den nächsten Jahren kontinuierlich auszubauen.

Welche weiteren Schritte sind nötig, damit an der UZH künftig vermehrt elektronische Prüfungen durchgeführt werden können?

Schneider: Einerseits muss die UZH ihre Infrastruktur aufrüsten. Sprich: Die Hörsäle müssen unter anderem mit deutlich mehr Steckdosen ausgestattet werden, damit die Stromversorgung bei BYOD-Prüfungen garantiert ist. Zudem muss die Prüfungssoftware künftig über einen Kioskmodus verfügen, um Betrugsmöglichkeiten bei Vor-Ort-Prüfungen mit Studierendengeräten verhindern zu können. Eine abgesicherte Browser-Applikation regelt dann den Zugriff auf Hilfsmittel wie Systemfunktionen, andere Websites und Programme und unterbindet die Verwendung unerlaubter Ressourcen während einer Prüfung. Andererseits müssen neue Rechtsgrundlagen geschaffen werden. Die im Januar 2021 in Kraft getretene «Rahmenverordnung über die Durchführung von Online-Prüfungen an der Universität Zürich während der Covid-19-Pandemie» regelt für die Dauer der Krise, dass Studierende beispielsweise dazu verpflichtet werden können, eigene Geräte mit der erforderlichen Software zu benutzen, oder dass technische Massnahmen zur Identitätsbestimmung eingesetzt werden dürfen. Für die Zeit nach der Pandemie braucht es eine Änderung des Universitätsgesetzes und insgesamt neue Rechtsgrundlagen, die die Handhabung von digitalen Prüfungen regeln.

Kann man als Fazit festhalten, dass die ­Corona-Krise als Katalysator von hochschuldidaktischen Prozessen wirkt?

Eugster: Ja. Dass jetzt so intensiv über Online-Lehre und damit auch über Online-Prüfungen diskutiert wird, ist tatsächlich ein positiver Nebeneffekt der Pandemie. Denn einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für gute Curricula sind die Leistungsnachweise: Die Studierenden richten ihre Lernstrategien sehr direkt auf die in den Leistungsnachweisen auszuführenden Handlungsmuster aus. Und auch die Dozierenden werden durch die Formate der Leistungsnachweise in der Wahl ihrer didaktischen Konzepte beeinflusst. Es ist also wirkungsvoll, Zeit und Energie in erweiterte (digitale) Prüfungsformate und eine hochstehende Prüfungsinfrastruktur zu investieren.

 

Weiterführende Informationen

«Dass jetzt so intensiv über Online-Prüfungen diskutiert wird, ist ein positiver Nebeneffekt der Pandemie»

 

Balthasar Eugster