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UZH Journal

«Nicht nur verwalten, sondern gestalten»

Die UZH revidiert ihr Führungssystem. Die Aufgaben der Universitätsleitung und der Dekaninnen und Dekane werden neu definiert, die Fakultäten erhalten mehr Selbstverantwortung. Welche Ziele und Zwecke damit verfolgt werden, erklärt Josef Falkinger, Leiter des Reformprogramms «Zukunftsfähige UZH Autonomie – Governance 2020+», im Interview.

Von David Werner

Herr Falkinger, warum ändert die UZH ihr Führungssystem?

Josef Falkinger: Das Ziel ist, die universitäre Selbstorganisation zukunftsfähig zu machen. Die Universität sollte in der Lage sein, nicht nur das Bestehende zu verwalten, sondern die eigene Entwicklung auch aktiv zu gestalten. Das war bisher zwar schon möglich, aber nicht im gewünschten Mass. Um noch strategischer planen und handeln zu können, brauchen sowohl die Universitätsleitung als auch die Fakultätsleitungen mehr Spielraum und mehr Kapazitäten.

Wie werden diese Kapazitäten geschaffen?

Durch eine geschicktere Aufgabenteilung zwischen Universitäts- und Fakultätsleitungen und durch eine Aufwertung des Amts der Dekaninnen bzw. Dekane. Die Fakultäten werden mehr Selbstverantwortung übernehmen. Ihre Anliegen werden nicht mehr von Prorektorinnen bzw. Prorektoren, sondern von den Dekaninnen und Dekanen gegenüber der Universitätsleitung vertreten. Die Prorektorate werden von ihrer «Götti»-Funktion für Fakultäten entlastet und können sich darauf konzentrieren, die gesamtuniversitären Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln.

Die Fakultäten werden also selbstständiger. Warum war das nicht schon früher möglich?

Als das «Götti»-System 2006 eingeführt wurde, waren die Voraussetzungen noch andere. Inzwischen sind die Fakultäten viel professioneller aufgestellt, deshalb müssen sie nicht mehr so eng von der Universitätsleitung betreut werden.

Könnte es passieren, dass die Zentrifugalkräfte an der UZH durch den Autonomiegewinn der Fakultäten zunehmen?

Es gibt diese Zentrifugalkräfte. Gleichzeitig gibt es aber auch Zentripetalkräfte, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, die grossen Herausforderungen zu meistern, mit denen alle Hochschulen derzeit konfrontiert sind. Themen wie Internationalisierung, Digitalisierung, Diversität und Chancengleichheit, Open Access, Nachhaltigkeit oder lebenslanges Lernen betreffen die gesamte Universität und rufen nach gesamtuniversitären Strategien. Es wäre nicht zielführend, wenn hier jede Fakultät für sich einen Sonderweg einschlagen würde. Deshalb stärken wir nicht nur die Fakultäten, sondern gleichzeitig auch die von den Prorektoraten geführten, fakultätsübergreifenden Querschnittsbereiche.

Welche Tendenz überwiegt – die zur Zentralisierung oder zur Dezentralisierung?

Das Ziel ist gelebte Vielfalt innerhalb einer starken Gesamtuniversität. Dazu braucht es einen Ausgleich zwischen zentraler und dezentraler Führung. Das neue Führungssystem sieht verschiedene Checks and Balances vor. Berufungsgeschäfte zum Beispiel werden arbeitsteilig vom Prorektor Professuren und wissenschaftliche Information und von der jeweiligen Dekanin bzw. dem jeweiligen Dekan geführt. Die Mitglieder der Universitätsleitung treffen sich regelmässig mit den Dekaninnen und Dekanen. Und jede Fakultät stimmt ihre Strategie und ihre Budgetplanung mit der Universitätsleitung ab.

Nicht nur die Gesamtuniversität, sondern auch die einzelnen Fakultäten sollen künftig strategischer geführt werden. Warum ist das nötig?

Aus einem einfachen Grund: Man trifft bessere und konsistentere Entscheidungen, wenn man sich dabei auf ein Leitbild und eine Strategie stützen kann.

Welche Entscheide sind strategisch gesehen für Fakultäten besonders wichtig?

Berufungen sind für Fakultäten Schlüsselentscheide, denn das Profil jeder Fakultät hängt ja von ihrer personellen Zusammensetzung ab. Dabei stellen sich viele Fragen, zum Beispiel: Wie sollen die zu besetzenden Professuren fachlich ausgerichtet sein? Oder: Setzt man eher auf international arrivierte oder eher auf junge Forschende? Ohne Strategie kann man keine weitsichtige Professurenplanung machen. Dasselbe gilt auch für die Curriculumentwicklung oder die finanzielle und räumliche Ressourcensteuerung.

Sprechen Sie da auch aus eigener Erfahrung? Sie waren ja selbst einmal Dekan.

Als ich 2008 mein Amt als Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät antrat, war die Fakultät daran, sich stärker international zu profilieren. Aber auch andere Entwicklungen wie die Finanzkrise konfrontierten die Wirtschaftswissenschaften in besonderer Weise mit neuen Fragen. Wir haben in dieser Zeit ein klares Leitbild entwickelt und an der fakultären Strategie gearbeitet. Dieser Prozess erforderte viele Diskussionen innerhalb der Fakultät, die sehr intensiv, manchmal auch kontrovers waren, auf jeden Fall aber viel bewirkt haben. Wir haben das Dekanat professionalisiert, eine neue Institutsstruktur geschaffen und eine gemeinsame Fakultätskultur entwickelt, die sich als tragfähig erwiesen hat.

War es die Strategie selbst oder mehr die gemeinsame Arbeit daran, die damals die Fakultät gestärkt hat?

Mindestens so wichtig wie die Strategie selbst ist das gemeinsame Ringen um die richtige Strategie. Auch wenn eine Strategie einmal ausformuliert ist, sollte die Auseinandersetzung damit nicht abbrechen. Man sollte jeden Anlass nutzen, um die eigenen Grundlagen und Ziele zu thematisieren.

Lenkt die Beschäftigung mit strategischen Themen nicht von der eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit ab?

Ich würde da nicht so strikt trennen, beides hängt zusammen. Indem wir als Fakultäts- oder Institutsangehörige gemeinsam überlegen, auf welchem Weg wir vorankommen wollen, schaffen wir eine wichtige Basis für künftige wissenschaftliche Erfolge.

Ist es für die einzelnen Forschenden denn so relevant, ob sie einer strategisch gut geführten Fakultät angehören oder nicht?

Unser Leistungsvermögen und unser Erfolg hängen stärker von unserem Umfeld ab, als wir glauben. Wissenschaft ist ein sehr arbeitsteiliger Prozess, der sorgfältig organisiert werden muss. Man denke an die vielfältigen Anforderungen an gute universitäre Lehre. Wenn ich Kolleginnen oder Kollegen an Kongressen begegne, merke ich rasch, ob sie aus gut geführten Fakultäten bzw. Universitäten kommen oder nicht.

Die UZH stärkt die Rolle der Dekaninnen und Dekane (siehe Kasten Seite 8). Werden die Fakultäten dadurch hierarchischer?

Ich glaube, wissenschaftliche Organisationen lassen sich nur partizipativ führen. Dekaninnen und Dekane sind Aggregatoren von Bottom-up-Kräften. Sie greifen Anregungen und Impulse auf, die von den Fakultätsmitgliedern kommen, und überführen sie in geordnete Massnahmen. Sie bringen das  Selbstverständnis der Fakultät zum Ausdruck und schaffen so gemeinsame Orientierung. Für die Dekaninnen und Dekane bedeutet die Aufwertung ihres Amts nicht, dass sie mehr kommandieren, sondern dass sie mehr kommunizieren müssen.

Die Universitätsleitung wird neu im Findungsprozess für künftige Dekaninnen und Dekane beteiligt sein. Welches ist der Grund für diese Regelung?

Die Dekaninnen und Dekane sind nicht nur den Interessen ihrer Fakultät, sondern auch dem Wohl der Gesamtuniversität verpflichtet. Im Sinne der erwähnten Checks and Balances leitet jeweils ein Universitätsleitungsmitglied die Findungskommission. Gewählt werden die Dekaninnen und Dekane aber wie bisher von der Fakultätsversammlung.

Wie attraktiv wird das Amt des Dekans und der Dekanin künftig sein?

Die Gestaltungsmöglichkeiten werden grösser als bisher, das macht dieses Amt attraktiver. Gleichzeitig wachsen natürlich auch die Anforderungen: Man muss sich voll und ganz auf dieses Amt einlassen und sich bei den Pflichten und Aufgaben der eigenen Professur entlasten lassen. Die Universitätsleitung gibt dazu Unterstützung. Ausserdem muss man bereit sein, in kurzer Zeit viel Neues zu lernen und sich Führungskompetenzen anzueignen.

Ist es überhaupt sinnvoll, dass die Universitäten und Fakultäten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geführt werden? Könnte man dafür nicht auch Managerinnen und Manager von aussen holen?

Die Universität Zürich als öffentliche Bildungs- und Forschungsorganisation kann nicht wie ein Unternehmen geführt werden. Managerinnen und Manager hätten an Universitäten kaum Rückhalt. Ich bin ein überzeugter Verfechter des Konzepts der universitären Autonomie. Aber Autonomie ist kein Freifahrtschein, sondern eine Verpflichtung: Als Bildungs- und Forschungseinrichtung öffentlichen Rechts ist die UZH zwei Instanzen Rechenschaft schuldig: der Wissenschaft und dem Souverän. Über dem Eingang des UZH-Hauptgebäudes steht: «Durch den Willen des Volkes», und als Universitätsangehörige haben wir den Auftrag: «Für die Wissenschaft». Wir sollten unsere Freiräume für Forschung und Lehre nicht als eine Selbstverständlichkeit hinnehmen. Wir müssen zeigen, dass wir verantwortungsvoll mit den uns zur Verfügung gestellten Mitteln umgehen und unsere Arbeit an den höchsten wissenschaftlichen Standards ausrichten.

Für die Mitglieder der Universitätsleitung und für die Dekaninnen und Dekane bringt Governance 2020+ grosse Veränderungen. Welche Veränderungen bringt sie für die übrigen UZH-Angehörigen?

Strategische Themen werden auf allen Ebenen eine grössere Rolle spielen. Professorinnen und Professoren, aber auch die Stände werden sich stärker als bisher in die Diskussionen über Grundlagen und Zielsetzungen der Universität und der einzelnen Fakultäten einbringen. Und neue, substanzielle Themen werden die Fakultätsversammlungen beleben, zum Beispiel die Entwicklung klarer Handlungsgrundsätze für Berufungsgeschäfte oder der grössere fakultäre Spielraum beim Einsatz der finanziellen und räumlichen Ressourcen.

Herr Falkinger, was haben Sie in den zwei Jahren, in denen Sie das Programm Governance 2020+ nun führen, über die UZH gelernt?

Ich habe die UZH als eine Institution kennengelernt, die vom Willen getragen ist, sich zu verbessern, und in der man offen und konstruktiv miteinander umgeht.

Weiterführende Informationen

Josef Falkinger, Programmleiter Governance 2020+

Im Bild

Josef Falkinger, Programmleiter Governance 2020+