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UZH Journal

Textiles Mahnmal

Via Lewandowsky, «Roter Teppich» (2003). Bild: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Berlin, Volker Kreidler

 

«Ich möchte ein Kunst-am-Bau-Objekt vorstellen: den ‹Roten Teppich›, eine textile Installation des in Dresden geborenen Künstlers Via Lewandowsky für das Bundesministerium der Verteidigung in Berlin. Mich faszinieren dabei die Umschlagpunkte, die das Werk produziert.

So weicht beispielsweise die Ansicht des Teppichs beim Betreten der zentralen Säulenhalle erheblich von derjenigen aus den höheren Stockwerken ab. Was zunächst als dekoratives Muster erscheint, entfaltet seine Wirkung erst von oben betrachtet: Dann erkennt man die nach einer Fotografie aus dem Jahr 1945 angefertigte Luftansicht des ausgebombten Berliner Stadtteils Tiergarten. Aus dem vermeintlich roten Teppich, wie man ihn für Stars und Würdenträger ausrollt, wird ein Mahnmal, ein Antikriegsmonument, dessen Bildwirkung in grösstem Kontrast zum weichen, reversiblen Material und zu dessen Assoziationen an Wohnlichkeit und Intimität steht. Diese Umwidmung von Objekten ist eine für den Künstler typische Arbeitsweise, die ich persönlich sehr schätze. Lewandowsky begibt sich mit seinem ‹roten Teppich› bewusst nicht in Konkurrenz mit der wuchtigen Bausubstanz – die 200 Quadratmeter grosse und 17 Meter hohe Halle wird von monumentalen Doppelsäulen und steinernen Balustraden geprägt. Auf den Ort und seine politisch wechselvolle, ja monströse Geschichte nimmt er aber deutlich Bezug. Der Gebäudekomplex diente unter anderem als Oberkommandozentrale der Wehrmacht, später als Zentrum des politischen Widerstands gegen das NS-Regime. Etliche Mitglieder der Widerstandsbewegung wurden im Hof hingerichtet.

Es ist bereits ein Bekenntnis zur politischen Verantwortung, hier den zweiten Dienstsitz des heutigen Verteidigungsministeriums einzurichten. Lewandowsky fügt dem noch einen konkreten Fingerzeig hinzu.»

 

Bärbel Küster, Professorin für moderne und zeitgenössische Kunst

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