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UZH Journal

Die ersten 125 Jahre

Das grösste geographische Institut der Schweiz ist an der UZH angesiedelt und feiert sein 125-Jahr-Jubiläum. Wie Direktor Jan Seibert erläutert, bietet kaum eine Disziplin mehr Vielfalt.

Stefan Stöcklin

Forscherinnen des Geographischen Instituts oberhalb des Zmuttgletschers im Mattertal: Sie messen mit einem Radar die Bewegung des schuttbedeckten Gletschers. (Bild: Andreas Vieli)

 

Wie stark sich die Geographie seit den Anfängen des Instituts vor 125 Jahren entwickelt hat, zeigt ein Blick auf den Gründervater Otto Stoll: Ursprünglich Mediziner, erhielt er 1895 die erste ordentliche Professur für Geographie an der UZH und begründete den Beginn des Instituts. Vielfältig interessiert, sammelte Stoll in Guatemala zoologisches Material, beschrieb indianische Völker und erhielt 1891 ein Extraordinariat für Geographie. Er verkörpert die Pionierzeiten der Disziplin, als Geografen vor allem deskriptiv unterwegs waren und fremde Länder, ihre Gewässer und Gebirge sowie exotische Völker beschrieben.

«Heute ist die Geographie eine wissenschaftliche Disziplin über die natürlichen und sozialen Prozesse, die unseren Lebensraum definieren», sagt Jan Seibert, Direktor des grössten geographischen Instituts der Schweiz. Oder, wie es auf einer Tafel auf dem Campus Irchel heisst: «Die Geographie untersucht Natur und Gesellschaft mit dem Ziel, räumliche Systeme und Prozesse zu erklären.»

Mit dem alten Bild der «Briefträgergeographie», das heisst dem enzyklopädischen Wissen über Länder und Städte, habe die moderne Geographie schon lange nichts mehr zu tun, betont der Direktor. Und fügt an, dass man dessen ungeachtet noch immer gegen das veraltete Image ankämpfen müsse.

Drei Cluster

Wie vielfältig und vor allem disziplinenübergreifend die heutige Geographie ist, zeigen die Schwerpunkte des Instituts: Gemeint sind die drei Bereiche Globalisierung, Klimawandel und Mobile Informationstechnologien. «Diese Cluster beinhalten verschiedene Fachdisziplinen, mit denen wir hochaktuelle und gesellschaftlich relevante Themen erforschen», sagt Seibert.

Ein gutes Beispiel ist der Klimawandel, insbesondere auch im Zusammenhang mit der zunehmenden Urbanisierung und Globalisierung und den damit verbundenen Auswirkungen. Hier sind alle Bereiche der Geographie gefragt: Bodenkunde, Glaziologie und Hydrologie für das Verständnis der natürlichen Prozesse, die Wirtschafts- und Sozialgeographie sowie die politische Geographie für die gesellschaftlichen Folgen und die Fernerkundung und GIScience für die räumliche Beobachtung, Analyse und Visualisierung.

Zum Themenfeld Globalisierung nennt der Institutsdirektor Studien zur Landnutzung im Globalen Süden, Migration sowie Politik und Gesellschaft. Dadurch lassen sich naturgeographische mit sozialen und politischen Fragestellungen verbinden. Schliesslich umfassen die Informationstechnologien den ganzen Bereich der geographischen Informationssysteme und der Fernerkundung.

Fernerkundung immer wichtiger

«Herkömmliche, analoge Karten halte auch ich noch gerne in der Hand, aber in der Forschung spielen sie keine so grosse Rolle mehr», sagt Jan Seibert. Moderne, digitale Karten bzw. Informationssysteme sind meist aussagekräftiger, da sie räumliche und zeitliche Daten integrieren. Die Fernerkundung via Satelliten ermöglicht verschiedenste Untersuchungen von der Trockenheit in Wäldern bis zur Genetik der Vegetation. Die Fernerkundung sei extrem vernetzt und unterdessen in fast allen Forschungsbereichen präsent.

Organisiert sind die Forschungsgruppen in die vier Themenbereiche Physische Geographie, Humangeografie, Geographische Informationswissenschaften und Fernerkundung. Eine weitere Gruppe ist für die fachwissenschaftliche Ausbildung der Geographielehrpersonen für Maturitätsschulen und Sekundarschulen verantwortlich.

«Was das Institut auszeichnet, ist das breite Spektrum der Forschungsgruppen und der Lehre», sagt Jan Seibert. Das spiegelt sich im Fachwissen der Institutsangehörigen, das von der Mathematik und Computertechnik bis hin zu den Politikwissenschaften reicht. Sozialwissenschaftliche Fächer gehören heute ebenso zur Geographie wie Naturwissenschaften. Wer sich für ein Studium der Geographie interessiert, sollte denn auch die Bereitschaft mitbringen, Themen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

Die thematische Breite und das grosse Interesse junger Leute an Fragen zur Nachhaltigkeit erklären das hohe Interesse der Studierenden. «Geographie und Erdsystemwissenschaften sind beliebte Studienfächer, jeder und jede kann seine Nische finden», stellt Seibert fest. Wer sich gerne mit Computer- und digitalen Technologien beschäftigt, kommt ebenso auf seine Rechnung wie jemand, der soziologische Erhebungen etwa im Globalen Süden durchführen möchte. Die thematische Breite erfordere allerdings auch Toleranz gegenüber unterschiedlichen Vorgehensweisen, um Fragestellungen zu erforschen und zu klären. Umgekehrt profitieren die einzelnen Disziplinen von der Diversität der Methoden, die am Institut gepflegt werden.

Fasziniert vom Element Wasser

Jan Seibert ist wegen seiner Faszination für das Thema Wasser Geograph geworden. Diesen Entschluss fasste er eines schönen Tages auf einer Wanderung entlang des Ufers eines sprudelnden Bachs. «Wasser verkörpert für mich alles, was die Geographie spannend macht: Das Element selbst ist faszinierend und sehr vielfältig», sagt der in Schweden promovierte Hydrologe. Er arbeitet selbst sowohl theoretisch am Computer wie auch praktisch im Feld und befasst sich unter anderem mit Modellierungen von Abflüssen und den Kreislaufprozessen von Wasser, speziell unter dem Einfluss des Klimawandels.

Ein Beispiel ist das Projekt CrowdWater, in dem Methoden entwickelt werden, die mit einer Smartphone-App hydrologische Messungen durch Freiwillige ermöglichen. Ziel ist die Gewinnung möglichst vieler Daten zu Abfluss, Bodenfeuchte und Wasserständen. Moderne Technologien bieten interessierten Bürgerinnen und Bürgern neue Möglichkeiten der Partizipation.

Der Institutsdirektor praktiziert mit diesen Ansätzen die Vielfalt der Methoden und Themen, die das Fach auszeichnen. Vielfältige Eindrücke ermöglicht auch der Blog «125 Jahre GIUZ», den das Institut zum Jubiläum aufgeschaltet hat und der regelmäs-sig mit neuen Beiträgen erweitert wird. Er beginnt mit Otto Stoll, dem vielseitigen Mediziner und Geographen, der den Grundstein zur Erfolgsgeschichte des Instituts gelegt hat. Reinschauen lohnt sich.

Weiterführende Informationen

«one earth – many worlds»

Das Motto des Geographischen Instituts lautet: one earth – many worlds. Es ­beschäftigt über 200 Mitarbeitende aus rund 30 Nationen und bietet zwei Stu­diengänge: Geographie, zurzeit rund 400 Bachelor- und 220 Masterstudierende, und die Erdsystemwissenschaften mit circa 60 Bachelor- und 20 Masterstudierenden. Mit dem World Glacier Moni­toring Service (WGMS) ist die weltweite Beobachtung von Gletschern am Geographischen Institut der Universität ­Zürich ­beheimatet. Das Netzwerk ist in mehr als 40 Ländern tätig.

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