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UZH Journal

«Das Fachgebiet ist exotisch»

Vartan Kurtcuoglu, Professor für rechnergestützte und experimentelle Physiologie, stellt sich vor.

Interview: Stefan Stöcklin

Vartan Kurtcuoglu erzählt im Video über Flüssigkeiten im Körper. (Video: Frank Brüderli)

 

Herr Kurtcuoglu, Sie sind Ingenieur und Mediziner und untersuchen das Verhalten von Flüssigkeiten im Körper. Wie kommen Sie auf dieses überraschende Fachgebiet?

Schon während meines Studiums des Maschinenbaus an der ETH Zürich faszinierten mich Flüssigkeiten wegen ihres komplexen Verhaltens, gleichzeitig interessierte ich mich seit jeher für Medizin und Biologie. Entsprechend suchte ich mir eine Doktorarbeit aus, in der ich diese Gebiete miteinander verbinden konnte, und arbeitete über das Flüssigkeitssystem im Gehirn und Rückenmark. Unterdessen ist das Fachgebiet der Biofluiddynamik etabliert.

Woher dieses Interesse für Flüssigkeiten?

Ich beobachte gerne und versuche, die hinter den beobachteten Phänomenen liegenden Vorgänge zu verstehen. Die Bewegungen der Wellen im Meer, die Strukturen, die beim Giessen von Rahm in den Kaffee entstehen: Das sind faszinierende Phänomene von Flüssigkeiten in der Natur oder im Alltag, die man bewundern kann. Physikalisch gesehen, treten ähnliche Phänomene auch im menschlichen Körper auf.

Wieso ist das in der Medizin wichtig?

Das Herz-Kreislauf-System oder die Nieren sind Beispiele lebensnotwendiger Flüssigkeitssysteme, die man dank dem Know-how der Fluid-Dynamik, die traditionell eben eine technische Disziplin ist, besser verstehen kann. Die Blutversorgung im Gehirn und diejenige im Rest des Körpers sind auf faszinierende Weise gekoppelt.

Können Sie das erläutern?

Unser Gehirn ist ein Organ, das sich optimal versorgen möchte, und wenn es feststellt, dass es zu wenig Blut erhält, wird es den Blutdruck erhöhen. Das ist schädlich für die peripheren Organe, kann aber für das Gehirn von Vorteil sein. Wenn man nun den Blutdruck medikamentös stark senkt, gibt es tendenziell weniger kardiovaskuläre Erkrankungen, aber es kann sein, dass der Abtransport von Metaboliten aus dem Gehirn reduziert wird. Solche Effekte lassen sich kurzfristig kaum erkennen, könnten aber eine Rolle im Verlauf von Demenzerkrankungen spielen.

Sie arbeiten an verschiedenen Projekten, können Sie eines nennen?

Als Teil des «Zurich Heart Flagship»-Projekts der Hochschulmedizin Zürich beschäftigen wir uns mit der Entwicklung eines Kunstherzens. Das Herz-Kreislauf-System ist unter anderem dafür zuständig, Blut effizient durch den Körper zu transportieren. Beim Kunstherzen geschieht das nicht ohne Komplikationen; es kommt oft zu Thrombosen und Blutungen. Meine Gruppe beschäftigt sich mit der Optimierung der Fluid-Dynamik in der Pumpe, um solche Komplikationen zu reduzieren.

Betrachten Sie sich eher als Ingenieur oder als Mediziner?

Ich würde mich als Physiologen bezeichnen und arbeite an der Schnittstelle beider Disziplinen. Das zeichnet auch meine Arbeitsgruppe aus, die ich «The Interface Group» genannt habe. Physiologen waren anfänglich auch Techniker, weil sie ihre Messgeräte selber entwickeln und bauen mussten. Diese Tradition führe ich fort.

Doch mit dieser Spezialisierung sind Sie hierzulande schon eher ein Exot?

Auf jeden Fall. Entscheidend für mich war ein Aufenthalt an der Harvard Medical School in Boston, wo ich diese interdisziplinäre Arbeit vertiefen konnte. Dort ist die Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Ingenieuren schon länger üblich.

Was tun Sie, wenn Sie nicht im Labor sind?

In letzter Zeit habe ich mit meinem Sohn Latein gebüffelt. Auch sonst beschäftige ich mich in meiner Freizeit am liebsten mit der Familie. Drinnen kochen, draussen rennen. Für viel mehr bleibt kaum Zeit.

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