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COVID-19 durchkreuzte die Pläne von Austauschstudierenden in Zürich und in aller Welt. Wir haben nachgefragt, welche Auswirkungen die Krise auf die Studierendenmobilität hat – und wie Studentinnen und Studenten der UZH das Beste aus ihrem ‹Corona-Aufenthalt› im Gastland gemacht haben.
Von: Alice Werner
«Vor Corona war mein Austauschsemester einfach nur cool», sagt Marcia Arbenz, die an der UZH Psychologie studiert und im letzten Frühjahr einige Monate in Schweden verbracht hat. «Pub Crawls, Spielnächte, organisierte Wanderungen: Die Studierendenclubs der Universität Lund machen es einfach, neue Leute kennenzulernen. Der persönliche Kontakt wurde auch an der Uni grossgeschrieben. Die Seminare bestanden im Wesentlichen aus kritischen Diskussionen zu verschiedenen psychologischen Theorien. Mir hat gefallen, wie sehr sich die Professorinnen und Professoren für die Meinungen der Studierenden interessierten. Der Austausch fand auf gleicher Augenhöhe statt. Während sich die Corona-Lage international verschärfte, ging in Lund der Alltag erstmal normal weiter. Doch Ende März riefen US-amerikanische und kanadische Hochschulen ihre Studierenden zurück und innerhalb von ein paar Tagen flohen die meisten Austauschstudierenden aus Schweden. Plötzlich war die halbe Stadt leer.»
Im Gegensatz zu vielen anderen Hochschulen hat die UZH während der ersten Pandemie-Welle im Frühjahr vergangenen Jahres nur eine Empfehlung zur Rückkehr ausgesprochen. Dennoch brach fast die Hälfte der Outgoing-Studierenden ihren Aufenthalt im Gastland zum Teil überstürzt ab. Vielen ging es wohl so wie Marcia Arbenz, die wegen der unübersichtlichen Situation an den Grenzen Angst hatte, nicht mehr nach Hause zu kommen. «Der Gedanke daran, dass ich alleine auf unabsehbare Zeit in einem fremden Land gefangen sein könnte, war sehr beunruhigend. Daher packte ich in der letzten Märzwoche zusammen, verkaufte mein Fahrrad und verabschiedete mich von so vielen Freunden wie möglich. Ich habe dann einen der letzten Flüge nach Zürich genommen.»
Wer den Aufenthalt im Gastland Corona-bedingt abbrechen musste, konnte das Semester immerhin online abschliessen. Den Erfahrungsberichten nach zu urteilen, den die Austauschstudierenden nach ihrem Auslandsemester bei der Abteilung Global Student Experience einreichen, hat die Umstellung aufs E-Learning an den allermeisten Partnerhochschulen reibungslos funktioniert. Auch für Marcia Arbenz war die Online-Lehre kein Problem. «Anstelle der normalen Vorlesungen und Sitzungen gab es Zoom-Meetings, ausserdem haben die Dozierenden Videos mit Inputs fürs Selbststudium zur Verfügung gestellt.»
Von ihrer für die Semesterferien geplanten mehrwöchigen Reise durch die skandinavischen Länder musste sich die Studentin allerdings verabschieden – «da hat mir Corona kaputt gemacht, was eine der besten Zeiten meines Lebens hätte werden können». Doch auch wenn die Krise ihre Pläne durchkreuzt hat, und sie nur das halbe Semester im Norden verbringen konnte, nimmt Marcia Arbenz viel Positives aus ihrem Auslandsaufenthalt mit: «Schweden hat mir deutlich mehr Mut, Selbstvertrauen und Unabhängigkeit geschenkt.»
Interview: Alice Werner
Frau Schacher, Sie leiten die Abteilung Global Student Experience (GSE). Wie haben Sie das letzte Jahr erlebt?
Afra Schacher:Die Corona-Pandemie war für unsere Abteilung in jeglicher Hinsicht eine grosse Herausforderung und hat uns deutlich mehr Organisationsaufwand und kommunikative Arbeit beschert. Zum einen mussten wir die internationalen Studierenden intensiver betreuen, sie etwa aktiv über die sich häufig ändernden Einreise- und Quarantänebestimmungen informieren oder mit ihnen gemeinsam überlegen, wie sie ihren Zürich-Aufenthalt unter Corona-Vorzeichen gestalten können. Gut beschäftigt hat uns zum anderen, dass viele unserer Partneruniversitäten in Europa und Übersee ihren Studierendenaustausch für das ganze Jahr 2020 komplett abgesagt haben. In diesen Fällen haben wir uns bemüht, den betroffenen UZH-Studierenden kurzfristig andere Plätze zu organisieren oder den Austausch aufs nächste Semester zu verschieben.
Wie gut hat das geklappt?
Den Umständen entsprechend gut. Wir standen in intensivem, persönlichem Kontakt zu betroffenen UZH-Studierenden, um für alle eine Alternative zu finden. Aber natürlich konnten nicht alle Studierenden ihren Austausch – aus persönlichen oder studienrelevanten Gründen – verschieben, und auch die Partneruniversitäten konnten aufgrund von beschränkten Kapazitäten nicht alle Studierenden, die ihr Auslandssemester auf einen späteren Zeitpunkt verlegen wollten, aufnehmen. Von Seiten der Hochschulen waren kreative Lösungen und auch eine gewisse Kulanz gefragt, zum Beispiel bezüglich Bewerbungsfristen für Austauschplätze; von Seiten der Studierenden unter anderem die Bereitschaft, den Austausch an einem anderen Ort als der Wunschdestination zu verbringen.
Insgesamt sind die Austauschzahlen im letzten Jahr aber stark zurückgegangen.
Ja, das ist wenig verwunderlich. Wer konnte, hat seinen Austausch verschoben. Im Herbstsemester 2020 sind rund 50% weniger UZH-Studierende an eine andere Universität gegangen, als im Jahr davor und es sind rund 35% weniger internationale Austauschstudierende nach Zürich gekommen. Den stärksten Rückgang gab es bei Austauschprogrammen ausserhalb Europas. Da hatten wir 90% weniger Outgoing- und über 40% weniger Incoming-Studierende. Auch das ist bei den geltenden Reisebeschränkungen nicht erstaunlich.
Im Gegensatz zu vielen anderen Hochschulen hat die UZH den Studierendenaustausch auch während der Coronakrise offengehalten. Warum war Ihnen das wichtig?
Im März 2020 hatte das Frühjahrsemester für die meisten UZH-Studierenden bereits angefangen und sie waren vor Ort an einer Partnerhochschule. In diesem Moment war es für uns ausserordentlich wichtig, dass die Studierenden kein Semester Ihres Studiums verlieren, unabhängig davon, ob sie vor Ort blieben, zurück in die Schweiz reisten oder noch gar nicht abgereist waren. Die Situation im Herbstsemester 2020 sah anders aus. Die Mehrzahl der Austauschplätze war bereits im Frühjahr vergeben, jedoch gab es eine grosse Unsicherheit, ob ein Austausch überhaupt stattfinden konnte. Für Studierende ist ein Austauschsemester eine einmalige Gelegenheit. Dieses Unterfangen kann nicht beliebig verschoben werden; zu einem späteren Zeitpunkt passt es vielleicht nicht mehr in den Studienplan, man erhält den Austauschplatz an der gewünschten Destination nicht oder es gibt keinen passenden Austauschvertrag. Das Bedürfnis der Studierenden eine internationale Erfahrung zu machen, ist auch während einer Pandemie nicht einfach weg. Wir wollten daher so viel Studierendenmobilität ermöglichen, wie es die epidemiologische Situation erlaubte. Dass dies in einigen Regionen der Welt besser gelang als in anderen, liegt auf der Hand.
Auch im Herbstsemester 2020 konnte die UZH aufgrund der unsicheren Corona-Lage keine Präsenzlehre anbieten. Dennoch sind rund 250 Studierende zum Austausch an die UZH gekommen. Wie kam das virtuelle Studium bei ihnen an?
Für die Incoming-Studierenden war es eine grosse Herausforderung, ihren Platz an der UZH zu finden. Alle Empfangsveranstaltungen fanden online statt, und auch das Angebot an sozialen Events, etwa von Erasmus Student Network, war sehr begrenzt. Dass die Lehre grösstenteils nur online stattfand, wussten die Studierenden im Vorfeld. Diesbezüglich sind wir auf viel Verständnis gestossen. Den Rückmeldungen zufolge waren die meisten Studieren-den mit den Online-Kursen auch zufrieden. Da die Restriktionen in der Schweiz nicht so stark einschränkend waren, konnten sie das Land dennoch etwas kennenlernen. Diesbezüglich war die grössere Flexibilität aufgrund des Online-Studiums vielleicht sogar von Vorteil. Grundsätzlich ist es natürlich immer besser, bei einem Austausch am Leben vor Ort voll teilnehmen zu können, aber ich denke, die meisten Studierenden haben das Beste aus der Situation gemacht.
Wie gut werden die neuen Möglichkeiten des virtuellen Auslandssemesters (also im Heimatland bleiben, aber an der Gastuniversität Online-Kurse besuchen) genutzt?
Ich denke, hier ist es wichtig zu differenzieren. Im Frühjahrsemester 2020 reiste rund die Hälfte unserer Austauschstudierenden vorzeitig in die Schweiz zurück, besuchte jedoch weiterhin Online-Kurse an der Partneruniversität. Dies war der aussergewöhnlichen Situation geschuldet. Aber ein Austauschsemester vor Ort zu machen, bleibt für uns der Königsweg. Selbst wenn aktuell das Lehrangebot ganz oder teilweise online angeboten wird, so ist es immer noch eine andere Erfahrung, wenn man den Kurs in einer fremden Umgebung macht anstatt im eigenen WG-Zimmer. Interkulturelle Erfahrungen kann man durchaus auch in einer solchen Situation machen. Man lernt die lokalen Begebenheiten kennen, erfährt beispielsweise, wie andere Länder und Hochschulen mit einer solchen Krise umgehen. Es gibt jedoch andere Formen der Studierendenmobilität, die in einem rein virtuellen Format durchaus gut funktionieren können. Ich denke da beispielsweise an die UZH Summer Schools, die auch als Online-Angebot ein Erfolg waren.
Die Pandemie wird uns wohl noch länger begleiten. Was für Auswirkungen auf die Studierendenmobilität sehen Sie?
Die Studierenden werden weiterhin flexibel bleiben müssen – und wir mit ihnen. Es besteht nach wie vor viel Unsicherheit. Gleichzeitig sehen wir, dass viele Studierende den Wunsch haben, das Angebot einer anderen Universität zu nutzen und in ein anderes akademisches Umfeld einzutauchen, andere Städte, Länder und Kulturen kennenzulernen. Die Austauschzahlen werden somit wohl mittelfristig wieder ähnlich hoch sein wie vor 2020, sobald sich die epidemiologische Situation entspannt hat.
Können Sie auch einen längerfristigen positiven Effekt auf die Studierendenmobilität erkennen?
Bereits vor der Pandemie zeichnete sich ein Trend ab, dass neue Formate in der Studienmobilität wichtiger werden – eine Entwicklung, die sich nun beschleunigen und akzentuieren dürfte. Auf EU-Ebene hat man den neuen Bedürfnissen bereits vor einiger Zeit Rechnung getragen. Die Stichworte des neuen Erasmus-Programms (2021-27) «Digitalisierung, Inklusion und Nachhaltigkeit» sind angesichts der Pandemie aktueller denn je. In Zukunft wird unter anderem sogenannte Blended Mobility – eine Kombination zwischen Online-Kursen und einer kürzeren physischen Mobilität – gefördert werden können. Gerade solche Angebote könnten auch inkludierend wirken, indem sie Studierenden eine internationale Erfahrung ermöglichen, für die aus unterschiedlichen Gründen ein ganzes Austauschsemester vor Ort nicht in Frage kommt. Ein Trend zu europäischen Destinationen, die einerseits nachhaltig mit dem Zug erreichbar und andererseits im Notfall einfacher wieder zu verlassen sind, könnte ebenfalls eine Folge der Pandemie sein. Damit Schweizer Hochschulen in diesen wichtigen Bereichen den Anschluss nicht verlieren und wieder als vollwertige Partnerinnen in Europa auftreten und mitgestalten können, ist eine baldige Re-Assoziierung an das Erasmus-Programm von grosser Wichtigkeit. Längerfristig wird sich das Angebot für die Studierenden, eine internationale Erfahrung zu machen, in Form und Dauer weiter flexibilisieren. Eine Überzeugung jedoch bleibt: Der physische Austausch wird weiterhin eine wichtige Rolle für die Studierendenmobilität an der UZH spielen. Die UZH ist keine Fernuniversität und wird dies auch nicht werden.
Die Abteilung Global Student Experience (GSE), die zum Prorektorat Lehre und Studium gehört, unterstützt Studierende der UZH (Outgoing-Studierende) sowie Studierende aus dem Ausland (Incoming-Studierende) bei der Planung und Durchführung ihres Auslandaufenthalts. Zudem erarbeitet die Abteilung die Grundlagen für die Studierendenmobilität, administriert beispielweise die Austauschabkommen mit Partneruniversitäten und sichert und erweitert das Angebot an Austauschmöglichkeiten für UZH-Studierende in Europa und Übersee. Aktuell hat die UZH Austauschabkommen mit über 300 Partneruniversitäten. Ausserdem berät das Team UZH-Mitarbeitende bei Fragen rund um das Thema Studierendenmobilität.