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UZH Journal

Mit Tablet, Headset und Webcam

Die kurzfristige Umstellung auf digitale Lehr- und Lernangebote im Frühjahr war für alle Dozierenden herausfordernd. Wir haben mit drei besonders engagierten Lehrpersonen über ihre Erfahrungen in diesem aussergewöhnlichen ersten Corona-Semester gesprochen.

von Alice Werner

Dieter Brecheis arbeitet seit 30 Jahren im Homeoffice. (Bild: Frank Brüderli)


Dieter Brecheis, externer Lehrbeauftragter am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung, hat im FS 2020 eine Wahlpflichtvorlesung für knapp 200 Studierende zum Thema «Werbung» gehalten.

«Als erste Reaktion auf die Schliessung der Universität Mitte März habe ich sämtliche auf OLAT zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle aktiviert, damit mich die Studentinnen und Studenten sofort erreichen konnten. Als Zweites habe ich den Link zu einem ‹Bob der Baumeister›-Video geteilt. Ich hatte das Gefühl, dass viele Studierende befürchteten, ein ganzes Semester zu verlieren. Natürlich ist ‹Können wir das schaffen? Yo, wir schaffen das!› ein Kindersong, aber ich wollte der angespannten Situation die Schärfe nehmen, Zuversicht verbreiten und auch die klare Botschaft senden: Gemeinsam stehen wir das durch! Überhaupt war es mir während der Krisenzeit wichtig, die Studierenden spüren zu lassen, dass ich mich in ihre Lage hineinversetzen kann und ihre Situation empathisch mitverfolge. Ich arbeite seit 30 Jahren im Homeoffice und habe daher – hoffentlich nützliche – Verhaltenstipps geteilt, etwa wie man seinen Arbeitstag strukturieren oder ein mögliches Motivationstief überwinden kann. Meine Vorlesung habe ich mit Unterstützung des Technischen Dienstes im Hörsaal aufgezeichnet und als Podcast zur Verfügung gestellt – auch um den Studierenden ein bisschen Uni-Feeling ins Haus zu bringen. Aus meiner Arbeit in der Werbung und im Eventbereich weiss ich, welche Wirkung das eigene Auftreten auf die Zuhörerinnen und Zuhörer hat. Deshalb wollte ich vor der Kamera möglichst entspannt und positiv erscheinen. Tatsächlich war es dann nicht ganz leicht, vor den leeren Sitzreihen zu sprechen. Da ich zum Glück auf ein wenig Schauspielerfahrung zurückgreifen kann, habe ich mir ein interessiertes Livepublikum dazufantasiert.»

Georg Artus kam sich mit zweit Tastaturen, zwei Monitoren, Maus, Tablet und Headset anfänglich vor, wie in der Leitstelle eines Sternkreuzers. (Bild: Frank Brüderli)


Georg Artus, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Chemie, hat im FS 2020 unter anderem eine Vorlesung in physikalischer Chemie für rund 140 Studierende der Life Sciences gehalten.

«Damit die Lehre trotz Umstellung auf Minimalbetrieb nahtlos weiterlaufen konnte, musste ich meinen Arbeitsplatz zu Hause innerhalb kürzester Zeit in einen separaten Raum verlegen, technisch aufrüsten und mich rasch mit den verschiedenen Tools vertraut machen. Im Hörsaal steht ja eine Tafel zur Verfügung, um Formeln herleiten und Zusammenhänge erklären zu können; als Ersatz habe ich im Homeoffice dann ein Grafik-Tablet verwendet. Mit zwei Tastaturen, zwei Monitoren, Maus, Tablet und Headset kam ich mir anfänglich vor wie in der Leitstelle eines Sternenkreuzers. Meine Vorlesung habe ich so weiterhin als Liveveranstaltung angeboten, die ausserdem über Zoom aufgezeichnet und auf OLAT hochgeladen wurde. Zugeschaltet war jeweils auch eine Assistentin, die dankenswerterweise die Moderation des Chats übernommen hat. Die Studierenden konnten auf diese Weise auch anonym Zwischenfragen stellen, die ich ad hoc beantwortet habe. Das hat zu einem lebendigen fachlichen Austausch geführt. Trotzdem hat mir die zwischenmenschliche Kommunikation wie im Hörsaal von Angesicht zu Angesicht sehr gefehlt. Um die oft unangenehme Wartezeit vor Beginn eines Zoom-Meetings zu überbrücken, habe ich via Playlists Musik eingespielt. Das hat auch mich sehr entspannt. Debussy, unterlegt mit impressionistischen Bildern, ist besonders gut angekommen.»

Christiane Barz entwickelte während des Lockdowns ein neues Lehrformat für ihre grosse Mathematikvorlesung. (Bild: Frank Brüderli) 


Christiane Barz, Professorin am Institut für Betriebswirtschaftslehre, hat im FS 2020 unter anderem eine Mathematikvorlesung für über 800 Studierende der Wirtschaftswissenschaften gehalten.

«Ich habe den pandemiebedingten Transfer von Präsenz- auf Online-Lehre dazu genutzt, ein neues Lehrformat für meine grosse Mathematikvorlesung zu entwickeln: kompakte, höchstens halbstündige Erklärvideos, in denen ein abgeschlossenes Themengebiet behandelt wird. Wöchentlich habe ich zwei bis fünf dieser Lernvideos im Homeoffice gedreht. Das hat viel Zeit und Arbeit gekostet. Denn die Sprache der Mathematik ist sehr exakt. Da muss man sich nicht nur überlegen, inwieweit man den Sachverhalt vereinfachen und wie man ihn verständlich erklären kann, man muss dabei auch noch möglichst genau und unmissverständlich formulieren. Mathematik lernt man meiner Meinung nach am besten im Austausch, daher gibt es seit längerem flankierend zur Vorlesung verschiedene Interaktionsmöglichkeiten, unter anderem ein wöchentliches Online-Quiz und ein betreutes Online-Forum für Fragen. Unsere angebotenen Übungsgruppen, in denen im Klassenverbund und geleitet von erfahrenen Tutoren Übungsaufgaben gelöst und besprochen werden, konnten wir weiterhin live über Zoom abhalten. Der (digitale) Austausch während des Lockdowns hat sehr gut funktioniert; da meine angebotene Online-Sprechstunde zudem deutlich besser besucht wurde als meine Sprechstunde im regulären Betrieb, hatte ich tendenziell sogar mehr Kontakt zu einzelnen Studierenden. Aber das direkte Feedback, das man normalerweise während der Vorlesung über Mimik und Körperhaltung der Studierenden bekommt, hat mir dann doch gefehlt. Dennoch habe ich mich bemüht, als Lehrperson ‹greifbar› zu bleiben, und daher regelmässig Updates in meinem Blog gepostet: persönliche Eindrücke während der Corona-Krise, selbstironische Reflexionen über meine nicht immer einfache Arbeitssituation mit Kleinkind im Homeoffice oder auch einen Link zu meinem Lieblingsmathematiker auf Youtube.»